Saturday, May 11, 2024
Konzert Juni 2024: MISSA MISTA

Der ungewöhnlich späte Konzerttermin unseres Ensembles in diesem 1. Halbjahr 2024 gibt uns die Gelegenheit, Ihnen ein Konzertprogramm jenseits von Passionszeit, Oster- oder Pfingstliturgie zu bieten, das uns zudem die Realisierung eines lange gehegtenLiteraturwunsches erlaubt.
Darüberhinaus ist der 50. Todestag des Komponisten ein besonderer Anlass, Frank Martins „Messe für zwei vierstimmige Chöre” einzustudieren.

Missa Mista

In ihrer eigenwilligen Kombination aus gregorianisch anmutender Strenge, pentatonischen Passagen, spätromantischer Harmonik und überraschender Rhythmik stellt sie ein Schlüsselwerk der Chormusik des 20. Jahrhunderts dar. Und wäre beinahe niemals aufgeführt worden! Erst fast 40 Jahre nach Fertigstellung der ersten Teile kam das Werk 1963 in Hamburg zur Uraufführung.

Der calvinistische Komponist aus dem französischen Teil der Schweiz wird in den Commentaires de Frank Martin sur ses œuvres zitiert mit den Worten:
„Zu diesem Zeitpunkt meines Lebens (1922-1926, Anm. des Verfassers) kannte ich wirklich keinen Chorleiter, der sich für das Werk hätte interessieren können. Ich habe der Association des Musiciens Suisses niemals vorgeschlagen, es im Rahmen ihrer jährlichen Feste aufzuführen, denn ich wollte keinesfalls eine Aufführung der Messe, da ich befürchtete, dass man sie nach rein ästhetischen Gesichtspunkten beurteilen würde. Damals war diese Messe für mich nur eine Angelegenheit zwischen Gott und mir.”

Der Schweizer Dirigent Ernest Ansermet schreibt über Martin: „Vom Anfang an erwies er sich als Lyriker, nicht als Symphoniker, und zwar als epischer Lyriker, als ein Künstler, dessen Musik vor allem Gesang ist, Gesang mit langem Atem, der sich in die Weite und die Tiefe erstreckt”.

Wie Sie es von uns und unseren Programmen gewohnt sind (und womöglich auch erwarten), streben wir nach interessanten Gegenüberstellungen. Daher haben wir uns entschieden, auf das erst später hinzugefügte Agnus Dei dieser Messe zu verzichten und das Mess-Ordinarium mit Kompositionen aus dem 16. Jahrhundert zu komplettieren und zu kontrastieren.

Die „Perle” der Martinschen Messe wird daher gefasst in eine Legierung weitgehend unbekannter Renaissance-Meister.

Claude Goudimel (geb. um 1514) schuf eine Vertonung der 150 Psalmen des Genfer Psalters, konvertierte 1560 zum Calvinismus und wurde 1572 während der Hugenottenverfolgung, der berüchtigten Bartholomäusnacht, in Lyon ermordet. Sein vierstimmiges Kyrie stammt aus der Messe Il ne se trouve en amitiè, die ein damals sehr populäres Chanson von Pierre Sandrin parodiert.

Im Jahr von Goudimels Ermordung übersiedelte Ludwig Daser (u.a. aufgrund seiner Konvertierung zum Protestantismus) von München nach Stuttgart.

Daser (1526-1589) gilt als Kapellmeister der Münchner Hofkapelle und damit Amtsvorgänger von Orlando di Lasso als notorisch unterschätzt. Überzeugen können Sie sich davon in seinem Kyrie und Agnus Dei aus der sechsstimmigen Missa Preter rerum, die sich als Parodiemesse auf den vier Jahre vor Dasers Geburt verstorbenen Josquin des Prés, bzw. dessen prächtige Advents-Motette Praeter rerum seriem bezieht.

Zwei Versionen des Agnus Dei, die unterschiedlicher kaum sein könnten, runden unsere MISSA MISTA ab.

Die Messe von Tournai ist eine Sammlung von Ordinariumsteilen aus dem späten 13. Jahrhundert und stellt damit ein Beispiel früher Mehrstimmigkeit dar. In seiner ungewohnten, radikalen Strenge wirkt der Ausschnitt fast wieder modern, zumindest aber für unsere Ohren überraschend.

Das Agnus Dei aus Jakobus de Kerles (1531-1591) Missa Da pacem strömt dagegen in gelassener Sechs- bis Neunstimmigkeit und repräsentiert die polyphone franko-flämische Kompositionskunst der Renaissance.

Teile seiner Motettensammlung wurden regelmäßig während des Konzils von Trient (1545-1563) aufgeführt. Seine Werke sollen neben den Kompositionen von Palestrina dazu beigetragen haben, dass ein Verbot vielstimmiger Kirchenmusik durch die Konzilsteilnehmer verhindert werden konnte.

Wir laden Sie herzlich ein zu unseren Konzerten am

Samstag, den 8. Juni 2024 um 19:30 in die Herz-Jesu-Kirche Erlangen
oder am
Sonntag, den 9. Juni 2024 um 16:00 in St. Klara Nürnberg!

Für das Vokalensemble Josquin des Prés
Raimund Schuler

 

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